Ich kriege dieses tolle Boot irgendwann auch noch mal zu Klump gefahren. Kann es sein, dass das Gehirn Fähigkeiten die man sonst nur im Sommer benötigt automatisch auslagert wenn es kühler wird? Anders kann es nicht sein, dass ich heute ein solch mieses Anlegemanöver hingelegt habe :-(. Ich musste mir tatsächlich Ruhe zusprechen damit es dann doch hingehauen hat – hat es ja dann auch, doch zufrieden bin ich mit mir nicht und werde wohl den ganzen Abend grummelig auf mich sein, muss mir echt überlegen ob ich mich bald nicht mal ausquartiere und einfach nicht mehr mitnehme ;-) dann kann auch nichts mies laufen.
Aber der Reihe nach, erstmal muss man ja dahin kommen wo man weltbeschissen anlegt: Das Wetter sah fein aus, Sarah war es zu kalt, doch ich wollte mich trauen – kleiner Wochenendtörn im Januar. Rund Null Grad Lufttemperatur, dicker Sonnenschein und 4-5 Bf aus NNW waren angekündigt. Also los zum Boot und erstmal Wasser auftanken. Im Winter stellt sich so etwas ja schwieriger dar als im Sommer, nicht nur das der Steg wieder mal ca. 15 cm überflutet war, die Wasseranschlüsse auf dem Steg sind natürlich auch abgeklemmt – also Wasser mit zwei laaaaaaangen Schläuchen aus unserem Gebäude geholt. Schon Anstrengung genug für den Tag wie ich finde; aber nö – ich muss ja noch aufs Boot. Wieder meine Schlaufentaktik benutzt – sah fast routiniert aus ;)
Dann ging es los, Motor an, Landstrom weg und erstmal die ganzen Heckleinen wegtüddeln. Beim tüddeln erwische ich einen rostigen Nagel im Poller der da nix zu suchen hat – also rausprökeln was eine ganze Weile dauert. Aber kein Problem, bei der Windrichtung ist das Wasser glatt und die Beberich vertreibt nur wenig in der Box. Der Nagel gibt auf und ich kann endlich los. Beim ablegen sehe ich noch die „Fun“-Crew auch alles zum Ablegen vorzubereiten, die wollen bei dem Wetter auch los; verständlich.
Bis zur Friedrichsorter Enge motore ich, denn das ist einfach zu hart am Wind und teilweise auch gegen den Wind. Ein paar Schlöge hätte ich sicherlich machen müssen aber die spare ich mir. In der Außenförde setze ich die Segel und die Beberich braust los. Nach einer halben Stunde kommt mir der Gedanke das Groß zu reffen, was ich auch sofort durchführe. Hier wehen gute 5Bf am Wind, da muss Vollzeug nicht sein. Ich muss ja an den Wind und möglichst westlich am Kieler Leuchtturm vorbei, doch das schaffe ich nicht. Ich kann zwar immer genügend Höhe halten um den großen Dampfern fern zu bleiben aber den Kieler Leuchtturm schaffe ich nur östlich zu passieren. Beim vorbeifahren beschleicht mich ein Peinlichkeitsgefühl: falsch herum auf einer Einbahnstraße, und dann auch noch an Kiel Traffic vorbeisegeln und in der Sonne liegen – das ist schon etwas dreisst denke ich bei mir und überlege mir schon einmal eine Ausrede falls ich angefunkt werde; werde ich aber nicht.
Nach dem Kieler Leuchtturm verschwinden die Pötte Richtung Fehmarn und ich habe somit meinen Atlantik für mich alleine. Hier ist niemand mehr außer die Beberich und ich und es beginnt der gemütliche Teil ohne alle zwei Minuten an den Segeln zu zuppeln und den Autopilot zu justieren. Soll er doch ab jetzt ein paar Schlangenlinien fahren, das stört hier keinen.
Ich lege mich gemütlich auf die Lee-Plichtbank und genieße die Sonne und die schaukelnde Rauschefahrt durchs Wasser. Die Beberich macht bei ca 50-60 Grad am wahren Wind im Schnitt über 6kn und knallt immer wieder mal in eine größere Welle hinein. Zeitweise schmeisst die Beberich etwas Wasser über den Bug und in ganz seltenen Fällen kommen auch ein paar Liter Wasser in der Plicht an. Das ganze Drumherum stimmt mich zufrieden – das ist Segeln – und so rinnt die Zeit an mir vorbei. Gegen 15 Uhr wird es kühl, die Sonne verschwindet hinter einem Wolkenschleier über der Kieler Förde und ich überdenke kurz meine Kleidung: Normale Segelhose unten und T-Shirt, Windbraker und Segeljacke oben, dazu eine Mütze ohne Pudel auf dem Kopf. Ich entscheide mich kein Frostködel zu sein und bleibe bei der Bekleidung, sind ja auch nur noch zwei Stunden bis zur Ankunft in Bagenkopp auf Langeland. Trotzdem, von 15 bis 16 Uhr ist mir echt kalt – scheiß alt werden, scheiß verweichlichen ;). Auf dem letzten Stück kann ich immer ein paar Grad mehr abfallen und die Beberich knackt die 7kn Marke. Vom abnehmenden Wind aus dem Wetterbericht ist hier nichts zu spüren und so reffe ich auch die Genua um ca. 1m gegen 15:30 Uhr.
Gegen 16 Uhr habe ich das Ansteuerungsfahrwasser von Bagenkopp erreicht und berge erst das Groß und dann unter Motor die Genua. Erst denke ich der Motor ist kaputt, da ich auf Normal Voraus überhaupt keine Fahrt ins Schiff bekomme. Muss dann aber einsehen, dass hier ein ganz schöner Strom steht und als ich mit dem Bergen fertig bin finde ich mich tatsächlich auch ein ganzes Stück südlicher vor der Hafeneinfahrt wieder. Alles kein Problem: Hebel on the table und rum um die Ecke. Es wird langsam dunkler und ich bin froh nicht im Stockfinsteren hier zu sein. Auch wenn ich Bagenkopp schon zwei- oder dreimal angesteuert habe brauche ich die Sicht um hier wirklich alles richtig zu machen. Als ich dann eine sehr flache kaimauer entdecke, die ich im Dunkeln sicherlich nie gesehen hätte bin ich doppelt froh, dass ich das Ankommen zu vernünftiger Zeit getroffen habe – danke Beberich für das zügige Segeln!
Ich hab mir vorgenommen Längsseits der Pier, hinter einer Reihe roter Holzhäuser in Bagenkopp anzulegen. Zwar sind an der Stelle eigentlich Boxen aber es ist ja eh keiner da, also mach ich was ich denn so möchte – aber Pustekuchen: Die Beberich macht mit mir was sie will – und nicht ich mit ihr, was sie soll. Ich komme zwar sehr elegant durch zwei Poller hindurch zum Steg, doch an den Steg heran geht es nicht. Erst bin ich zu vorsichtig und der ablandige Wind drückt die Beberich vom Steg weg, dann bin ich zu forsch und ramme fast den Steg (Der zuverlässigen Maschine der Beberich gebührt der Dank, Rauch wie aus ner Dampflock aber eine Umsetzung der Kraft wie ein Rennwagen!). Ich werde nervös und will wieder zwischen zwei anderen Dalben heraus und verschätze mich so dermaßen mit der Breite das es knirscht. Der Groll und die Nervosität steigt mir in die Glieder. Ich rede auf mich selbst im ruhigen Ton ein und frage immer wieder: „Sven, was ist los?“ und lasse mich ein paar Sekunden treiben um wieder Ruhe zu finden. „So, und nun richtig bitte“ vernehme ich meine Stimme und lege nach folgendem Dialog mit mir selbst zufriedenstellend am Steg längsseits an: „Äh, wo sind denn hier bitte Klampen oder Ringe zum festmachen? … Da sind keine, … da müssen welche sein .. sind aber nicht! ….. doch, da unter Wasser, da ist nen Ring … ok, dann also gleich Handtauchen und entsprechend suchen ;-)“
Als erstes muss ich die Beberich dann doch einfach am Holzsteg um eine Latte befestigen, denn nach dem Bug sollte ich bei ablandigem Wind auch mal das Heck befestigen bevor es wieder abgetrieben ist – und die Suche nach den Festmacherringen ca. 15 cm unter Wasser stellt sich doch als Minutenlange Tätigkeit heraus. Nach ein paar Minuten ist aber alles gut und die Beberich häng gut vertäut am Steg und auch die Fender fühlen sich zwischen der Beberich und dem Steg wohl.
Ich schaue zumindest auf der dem Steg zugewandten Steuerbordseite ob man etwas vom Dalbencrash sehen kann, doch ich entdecke nichts.
Unter Deck gibt es dann noch kurz einen Schrecken. Da steht Wasser in der Bilge – „Wo kommt das her?“. Ein kurzer lecktest zeigt, dass es Süßwasser ist – ich checke die Tanks und tatsächlich, da hat sich etwas getan und ich muss lachen. Hatte ich an der Blücherbrücke nur einen Tank gefüllt, da 100l vollkommen für mich ausreichen. Ich wusste dann aber nicht welcher Tank es ist und öffnete beide Sperrventile unter Deck um beiden Tanks zugang zum Wasserkreislauf zu gewähren. Nun weiss ich welcher Tank voll war, nämlich der Backbordtank. Durch die Schräglage auf Steuerbord ist tatsächlich Wasser von einem Tank zum andern gelaufen *lach*, denn in diesem finden sich laut Tankanzeige jetzt auch über 25 Liter. Wo jetzt genau dann Wasser aus dem Wasserkreislauf in die Bilge gekommen ist weiss ich zwar noch nicht, doch solange es nur unser eigenes Wasser ist bin ich beruhigt.
Nun sitze ich hier am Navitisch, die Heizung läuft und der Bauch ist gefüllt. Da der Ofen ja noch nicht angeschlossen ist gab es kalte Küche, aber was soll’s – ein wahnsinnig toller Segeltag mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang und einem sehr lange rot gefärbten Horizont ist zu Ende. Was will man mehr? – Vielleicht wärmeres Wetter, damit die Frau auch dabei ist, ja das wäre schön – doch der Winter ist halt nur den richtigen Seebären vorbehalten! ;-)