Grenzerfahrung.
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Grenzerfahrung.

# Das Maleur #

„Und das natürlich mit Gästen an Bord“, dachte ich mir als ich auf dem Vordeck von einer Welle auf Lee geschoben wurde und mich dank meiner ja doch nicht so häufig an meinen Füssen klebenden Schuhen, an der geliebten Fußreling der Beberich sichern konnte, um nicht in die Ostsee zu rutschen. Für einen genießerischen Blick in das Wellenspektakel bleibt leider keine Zeit. Ich versuche gerade die zerrissene Genua runter zu bekommen und rutsche dabei quer über das Deck. Die Beberich schwimmt wie ein Milky-Way auf einer Schale voll Milch, die von einem Parkinsonpatienten gehalten wird. Eine Welle nach der anderen geht unter dem Schiff durch während ich – viel leichter als gedacht – die Genua aus dem Vorstag nach unten ziehe. Leider gelingt es mir nicht die großen Fetzten an Deck zu behalten. Der stetig starke Wind und die noch stärkeren Böen schieben den Stoff immer weiter auf der Leeseite ins Wasser. Unmöglich den Stoff mit einer Person zu bergen. Selbst als ich von einer Welle nach Luv poltere und mit meinem ganzen Körpergewicht an den 48qm zerre und schon die Seereling nachgeben sehe, bewegt sich nichts aus dem Wasser. Ein kurzer Gedanke an das zweite männliche Crewmitglied als Unterstützung verwerfe ich innerhalb einer Atosekunde wieder, denn das letzte mal vor ein paar Minuten machte ich ihn kniend im Cockpit aus. Die Seekrankheit hatte ihn dahin gerafft und so blieb mir in diesem Moment nur eine Möglichkeit im Kopf, die meine Hände schnell ausführten: Beide Schäkel der Genua waren schnell gelöst und so versank auch der restliche Stoff schnell in der Ostsee und ich bewegte mich zügig und stolpernd wieder zurück ins Cockpit.
„Herr E bitte unter Deck, Du bitte als Betreuung mit. Auch, wenn es dort vielleicht noch schlimmer wird. Etwas Platz hier oben wäre schön. Frau Doktor, sie bleiben bitte hier.“ So einfach sich dieser Satz lesen lässt, so schwer war es selbigen auszusprechen ohne dabei übers Deck zu poltern. Die Beberich schlug sich selbstverständlich tapfer & sicher auf den Wellen, doch waren meist beide Hände nötig um sich festzuhalten damit man auch da bleibt, wo man sein will: An Bord.
Die Beberich musste schnellstmöglich wieder Fahrt bekommen. Auch, wenn wir noch ca 2 sm westlich von Bagenkop trieben. Der starke Westwind vertrieb uns immer mehr und auf Dauer ist so ein Geschaukel auch nicht wirklich Gemütsfördernd. Insbesondere das verbliebende Crewmitglied an Deck erwähnte mehrfach den vor Törnbeginn erwähnten „JamesBond“Knopf zu drücken. „Jetzt könnten wir aber den Knopf drücken! Oder?“, vernahm ich es. „Nein, so weit ist es noch lange nicht, erst mal Hose hochziehen“, war meine Antwort während ich nebenbei versuchte mich am Baum festzuhalten, der von einer neuen Welle und von meinem Gewicht nach Lee geschlagen wurde. Als der Baum mit dem drauf gebundenen Grosssegel und ich zurück ins Cockpit geschlagen wurden machte ich mich auf das zweite Reff ins Gross zu binden und das Groß zu setzten. Ich erinnerte mich dabei an meine grossspurigen Worte zu Törnbeginn, „Das zweite Reff haben wir noch nie gebraucht, ist Tinnef“. Tja, und ich sollte recht behalten: Mit dem zweiten Reff bekamen wir keine Fahrt, nicht nur, das es in den Wellentälern sehr wenig Segelfläche war, das Reff sass mit meiner notdürftig gebastelten Bändselkonstruktion auch nicht wirklich schön. Das war aber nicht alles. Zu diesem Zeitpunkt merkte ich meinen Fehler: Die Schoten des Vorsegels waren noch fest und hielten die gelöste Genua unter der Beberich. Mit den Worten „Holst Du mal ein Mess .. Ah ne, lass mal“, verschwand ich unter Deck. Ein Griff in die Ecke in die ich nie greifen wollte und schon fand ich mich nach wenigen fliegenden Schritten wieder oben im Cockpit. Zwei Sekunden später waren die Schoten, die Beide auf Backbord ins Wasser hingen, mit einem Schnitt gekappt. Das für solch Fälle bereitliegende -wirklich scharfe- Messer tat seinen Dienst und zerschnitt die Leinen wie warmweiche Butter.
Die Beberich kam trotzdem nicht in Fahrt und ich machte mich ran, nun das erste Reff zu setzen. Also wieder an den Mast und das Auge des ersten Reffs in den Reffhaken, Segel weiter hochwinschen und wieder scheitern. Vor lauter Aufregung hatte ich natürlich vergessen das zweite Reff am Achterliek zu lösen und so musste auch diese Reffleine kurzerhand der Schnittigkeit des Messers weichen. Das Segel löste seine Spannung und flutschte quasi ein Stück gen Mastspitze empor. Nach wenigen Minuten und viel Krafteinsatz war das Groß bis zum ersten Reff oben und sass relativ vernünftig. Auch in der kurzen Zeit hatte ich gelernt und meine neue Reffleine mit dem Unterliekstrecker verbunden. Da ich diesen geistesanwesend vorher gelöst hatte konnte ich das Unterlieg perfekt strecken um eine flache Segelfläche zu bekommen – und was passierte? Nichts. Die Beberich kam nur sehr langsam vom Fleck. Irgendetwas stimmte noch nicht. Das Gross stand, das Ruder fühlte sich auch normal an & Wind gab es auch genügen, nur dieser weisse Fleck ca. 1m unter Wasser hinter dem Schiff war nicht normal! Was ist das? Die Genuaschoten hatten sich scheinbar in der Welle oder ähnlich verfangen und wir schleppten die verschiedenen Fetzen der Genua als Schleppanker hinterher. „Der Knopf? Jetzt?“, hörte ich es wieder. Und noch bevor ich antworten konnte vernahm ich die bittere Stimme von Frau Doktor: „Du gehst da nicht rein, wenn einer gehen muss, dann bin ich das. Dich brauchen wir hier noch, ich bin nicht so wichtig.“ In etwas raunendem Ton erwiderte ich, dass hier niemand ins Wasser gehen wird und überlegte dabei in selbst verordneter Ruhe was wir tun können. Der Treibanker muss weg, das war klar. Wenn wir es nicht hinkriegen das sich das Segel von uns löst wäre das wirklich ein Grund Hilfe zu rufen. Natürlich nicht über die Distress/SOS Funktion unseres Funkgerätes und somit dem besagten Knopf, doch mit den Schoten in der Welle gibt es keine Möglichkeit vernünftig Fahrt aufzunehmen und das Schiff steuerbar zu machen. Ein Motor Anlassen würde sicherlich zu einem weiteren vertörnen der Schoten um die Welle führen und ohne Hilfe würde dies bei den Wellen vor Bagenkop unweigerlich auf die Steinmole führen. Knappe 1,5 sm blieben uns noch zum treiben, es musste also zügig eine Lösung her die uns hilft die weisse Tragfläche loszuwerden. Da man dem Segel durch unser Treiben durchs Wasser ansehen konnte zu welcher Seite es sich vertüddelt haben musste wagte ich einfach ein Runde zu segeln. Die Beberich bewegte sich langsam in die Richtung, die ich wollte. Dafür schlug sie weiterhin in den Wellen, die unter sie durchpflügten. Die Runde inkl. Wende war nach einer Weile beendet und der Blick übers Heck verriet nichts gutes. Unser Treibanker verharrte an seinem Platz und für kurze Zeit schwand meine Hoffnung dieses Maleur alleine zu bewältigen. Der Kopf startete die nächsten Überlegungen und der Mund holte schon Luft um nach dem Funkgerät zu rufen als die Beberich auf einmal an Fahrt gewann. Ein Blick aufs stehende Grosssegel, der zweite Blick auf das Wasser achtern: Der Treibanker war weg! Es hatte geklappt. Die Schoten hatten sich durch unsere gesegelte Runde lösen können und trieben ab. Sie brauchten nur einen Moment um das selber zu verstehen und umzusetzen und so konnte die Beberich Fahrt aufnehmen. Mit der ersten Reff im Gross und ohne Vorsegel gingen wir soweit an den Wind wie es möglich war und versuchten wie geplant wieder Kurs Marstal zu setzen. Unser Maleur hatte und zu weit nach Osten vertrieben, Kurs Marstal war nicht möglich und so entschied sich die Crew nach meinem Vorschlag kurzer Hand für Bagenkop. Auf einen etwas andauernden Kreuzkurs gen Marstal hatte die Crew wie ich nach dieser Aktion nicht mehr und wir waren ja eh in Richtung des Hafens getrieben und so war es eine kurze Strecke kontrolliert in die Nähe der Steinmohle von Bagenkop zu kommen. Freilich führte uns der Kurs durch die schön aufgebauten Wellenbrecher und auf dem Halbwind bis Raumschotkurs schwabbelte die Beberich auf den Wellen noch ein Mal richtig. Doch nichts konnte uns nach diesem kurzen Stück von einem entspannten Anleger abhalten. Die Beberich hatte Fahrt, Frau K alias Frau Doktor fiel ein solcher Stein vom Herzen, das die Entspannung zu selbigem ihrer Speiseröhre führte und unter Deck vernahm ich ein kümmerndes & entspannendes „Wir sind gleich Da Herr E“. Die Beberich also auf Kurs und die Crew noch komplett, was will Skipper mehr? Und das alles ganz ohne „Knopf“ aber dafür mit „Kopf“ und vor allen Dingen: Ruhe.
Als wir hinter den Schutz der Steinmohle kommen wird das Wasser schlagartig ruhiger. Ich gebe Kommando den Anleger vorzubereiten: „Festmacher raus und Fender ran.“ und die beiden Mädels springen sofort an Deck. Den Motor hatte ich schon kurz vorher gestartet und auch das Groß herunter genommen. Der Sprang wie immer zuverlässig an, schnurrte wie eine etwas ältere Nähmaschine und so lag nur noch ein hoffentlich entspannter Anleger vor uns.

# Bagenkopp #

Der Hafen scheint leer. Hinter den Molen lässt sich kein großer Mastenwald entdecken. Nur eine Hand voll Gastlieger an der Mole und drei scheinbare Dauerlieger sind neben den endlosen kleinen Angelbooten auszumachen. Als die Mädels Leinen & Fender klar machen muss ich die schwere Entscheidung der Liegeplatzwahl treffen. Wie weht der Wind? Was ist für morgen angesagt und wo ist es am praktischsten? Der Wind weht aktuell aus Südwest und ich entscheide mich für eine Dalbenbox auf der Nordseite des Hafens. Da ich weiss, das hier die Boxen nicht alle für die breiten Hüften der Beberich gebaut sind versuche ich eine von den breiteren Boxen zu erwischen und reisse das Steuer rum. „Die nehmen wir, Lufdalben mache ich.“ gibt es als Kommando und schon touchieren wir die Dalben. Lee nicht viel mehr als in Luf, denn wie gedacht passt die Dalbenbreite gerade so und es braucht ein bisschen Motorkraft um durch die Enge zu flutschen. Ich dampfe sofort in die Achterleine ein um das Schiff beim herrschenden Seitenwind wenigstens etwas gerade in der Box zu halten. Back- und Steuerbord finden sich auf weite Sicht keine Bootskollegen und so haben wir Platz und auch genügend Wind bei unserem Mannöver. Frau M springt auf den Steg und hat zu ihrer Freude sogar die Lufleine in der Hand – und wie so viele Menschen steht sie da: Die Lufleine in der Hand und freut sich weiter über den Festmacher, das sie die Beberich „hat“ und selbst auch nicht ins Wasser gefallen ist. Und wie so viele Menschen steht sie da und vergisst dabei das Boot möglichst zügig an den Steg zu bändseln. Immer stehen sie da, die Menschen. Glauben fest daran, dass alles Gut ist sobald sie auf dem Steg stehen und eine Leine in der Hand haben. Zerren manchmal fürchterlich an den diversen Tonnen des Bootes, die vom Wind in eine bestimmte Richtung gedrückt werden und müssen dabei häufig ihr schönes Gesicht so verzerren, das es einfach nicht mehr locker, leicht und zum Verlieben aussieht. Liebe Menschen: Guckt schon vom Vordeck aus, wo sich Klampen, Ösen, Augen oder Poller befinden um das Boot so schnell wie möglich – richtig: auf Luv – festzumachen. Dann am besten erst mal in Pose werfen um für die anderen Segler verdammt gut aus zusehen, entspannt die Leeleine nehmen und auch die belegen – und dann erst mal Lächeln, einen Witz machen oder einfach weiter verdammt gut aussehen. Erst dann kommt der Feinschliff, erst dann gucken wir mal ob das Boot auch verdammt gut in der Box aussieht, erst dann küssen wir den Boden und auch erst dann trainieren wir die Oberarmmuskeln – wenn ihr denn wollt – mit Steinen an der Mole, mit Rangeleien gegen fremde Segler die euch als Crewmitglied anwerben wollen oder mit seichtem Winschkurbeln um mich in den Mast zu kurbeln. Nicht vorher – und auch niemals mit dem Schiff „in der Hand“. Als dieses Thema geklärt ist und die Beberich an den Augen am Steg von Bagenkop fest verzurrt ist, vernehm ich ein „Warum rumort der Motor der Beberich dahinten eigentlich so im Wasser?“, „Damit du jetzt noch hier auf dem Steg stehen darfst, die Beberich dampft in die Achterleine ein, damit das Boot bei dem achterlichen Seitenwind möglichst gerade in der Box steht, ansonsten hättest du die 6to sicherlich nicht gehalten, … auch nicht mit verzerrtem Gesicht.“, erwiedere ich. Hätten wir das also auch geklärt, keiner soll hier dumm sterben und schwups sprang schon Herr E über den Bugkorb an mir vorbei und ich sah nicht zum ersten Mal jemanden den Boden küssen – wenn es sich hier auch um eine Betonplatte handelte, egal – dem Herrn E ging es wohl wirklich nicht sehr gut auf dieser Reise. Tut mir leid.
Und nicht nur der Herr E hatte einiges zu verarbeiten und wir entschieden uns erstmal für einen kurzen Landgang. Also Rettungswesen aufs Deck geschmissen und los tapern. Toiletten suchen, Hafenmeister und endlich wieder einfach an Land sein. Wenn es sich auch um eine Insel handelt, festes Land bleibt in diesem Moment Festland und ist jedem allemal lieber als die letzten Stunden. Schnell war die erste Begeisterung über das feste Land verflogen, „Hier ist ja nix los, hat ja alles zu“, gab es da zu hören, doch ich glaube alle waren froh da zu sein wo nix los ist. Aktion hatten wir für heute genug. Klar, das bei unserem Landgang die Unterhaltung schnell auf das Erlebte kam. Wie ist das überhaupt alles passiert und war es nun so schlimm, wie Einige es erlebt haben?
Kurs, Wind und Welle machten unsere Tour eh zu einem holprigen unterfangen. Die Segel schlugen beim angesagten Vorwindkurs bei mancher Welle vor Windverlusst und für manch Segler aus Mitteldeutschland war es wahrlich kein Körperschonender Ritt auf der im Schnitt 0,5 bis 1m hohen Welle. Teilweise liessen sich die angesagten 4 Windstärken, die mit der Zeit immer mehr zu stetigen 6Bf wurden, auch mit Vollzeug segeln aber irgendwann war Schluss. Auch bei einem gebuchten Törn „mit allem Drum & Dran“ kam das Grosssegel irgendwann da hin, wo es hingehörte, – nämlich runter und auf den Baum zusammengepackt. Schon dieses Manöver war etwas anstrengend bei der Welle aber klappte soweit ohne grosse Umschweife. Etwas angeluvt, gross gefiert und runter mit dem Lappen. Mit Zeisingen versehen und fertig – weiter geht der Ritt mit der Genua die ich am liebsten an der Stelle des Grosssegels eingeholt hätte. Dagegen sprach aber, dass sich die Rollanlage so verheddert hatte, das ein Aufrollen unmöglich war und ich einen Gang aufs Vorschiff bei dem kurzen & steilen Wellengang und der dazu angeschlagenen Crew vermeiden wollte. Ist auch nicht so schlimm, dachte ich bei mir, haben wir aus „Faulheit“ schon häufiger gemacht und auch 6 Windstärken, die am großen Vorsegel reissen haben wir schon häufiger auf diesem Kurs mitgemacht.
Frau M vernimmt in diesem Moment ein „Scheisse“ von mir und keine Sekunde später vernehme ich den kleinen Riss in der Genua. Glaubte Frau M in diesem Moment, meine Kraftausdruck war schon auf den Riss gemünzt, so muss ich richtigstellen, das ich in dem Moment vorm Entdecken des Risses bemerkte, dass wir etwas Höhe verloren hatten und Marstal wohl nicht mehr in einem Schlag erreichen würden, der Riss selbst sorgte für keinen Ausdruck bei mir, da hiess es nur: Handeln.
Genau weiss man nicht, wie alt die Genua war, über 17 Jahre hatte sie sicherlich auf dem Buckel und durch die durchgeführten Flickarbeiten in der Vergangenheit und dem vorherrschenden Wind wusste ich, dass der Stoff diesen Riss nicht lange klein halten kann. Die Genau musste runter, wenn wir auch nur etwas von dem Stoff behalten wollten und so löste ich Genuafall & Klemme, liess etwas anluven und stolperte aufs Vordeck. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Rissfrass vollständig zugeschlagen und es schlugen nur noch Fetzen durch die Luft – wenn ich es richtig beobachten durfte, dann hielt das frisch genähte Achterliek verdammt lange aus, vielen Dank hier an Faber+Münker – gebracht hat es aber auch nichts, Rissfrass ist Rissfrass und somit war bei meiner Ankunft auf dem Vordeck schon alles geschehen und das Maleur begann.
Schlimm war das Ganze nun nicht, dennoch sicherlich einschneidend für manche Mitsegler. Eine solche Situation erfordert Ruhe, eine hochgezogene Hose und sicherlich einiges an Entscheidungsfreude. „Das Meer ist schnell und grausam“, so steht es geschrieben und der Wind auf dem Meer steht dem in nichts nach. Dies heisst Handeln und nicht Diskutieren, dies aber in der benötigten Ruhe und ohne Panikattacken. Ganz den immer wieder zitierten zwei Hauptkriterien, die mein Freund Herr B und ich auf unserem Wellentripp nach Helgoland formten: Prio 1: Überleben, Prio 2: An einem Stück. Material geht vor Mensch und das ist gut so. Manchmal muss man sich halt etwas bemühen um das Material los zu werden ;)
Zurück aus den Maleurgedanken schlug ich vor noch einen Strandspaziergang zu machen. Wenn man schon am Abend in Bagenkop  auf Langeland landet, dann muss man auch den Sonnenuntergang & die Stranddünung bei solchem Wetter geniessen. Erst ein paar Schritte zum Aussichtsturm und der kleine Aufstieg um die Wellen und die Gischt an der Steinmole von oben zu betrachten. „Da sind wir durch?“, „Jep.“, „Als du uns beim Einlaufen zum Fender & Leinen klar machen geschickt hast, dachte ich erst du bist irre, aber als wir dann hinter die Steinkohle kamen war das Wasser ja gleich völlig ruhig.“, Klare Wind,Wellen, Steinmohlenlogik denke ich bei mir und freue mich, das meine Premiumcrew auch in Zeiten des Anzweifelns einfach das tut was ich sage und nachher auch versteht warum es das spezielle Kommando gab. „Drum gab es das Kommando ja auch erst kurz vor dem Vorhafen“, erwidere ich und mache irgendwelche Scherze an die sich heute keiner mehr erinnern kann. Unser Weg führt uns dann zum Strand mit genussvollem Sonnenuntergang und mehr oder weniger tiefsinnigen Gesprächen deren Inhalt ganz schnell vom Wind über Langeland gefegt wird. „Essen?“, frage ich und zu meiner Verwunderung wird Herr E schneller aktiv als die beiden Anderen. Ein paar Nudeln, Zwiebeln & Tomaten werden ausgewählt und schon geht es alsbald zurück an Bord um die schmackhaften Gedanken von Herrn E umsetzen zu lassen. Am Maleurthema kommen wir den Abend nicht mehr vorbei. Analyse folgt Analyse, Gutrede gegenüber dem Skipper folgt der Grenzerfahrung und Schlaf folgt der Müdigkeit. Der Abend geht schnell zu Ende und aus irgend einem Grund schlafe ich besser als die Nacht zuvor. Ich vernehme zwischendurch zwar immer wieder den Wind, der nicht wie Angesagt das Weite sucht, doch schnarche ich in Seelenruhe und tausche somit einen Teil der gesammelten Pluspunkte des Tages unbewusst bei einer lächelnden Frau Doktor ein. Wenn sie schlafen könnte würde sie sicherlich von einem Hose-hochziehenden-Sven träumen, doch so liegt sie da und lauscht dem Schnarchen und dem Wind bis auch sie von der Müdigkeit dahin gerafft wird und das letzte Crewmitglied Kräfte für den Tag danach sammelt.

# Der Ritt zurück #

Der nächste Tag beginnt für mich unruhig. Der Wind weht immer noch über 4Bf und die Themen, Gefühlslagen und das Erlebte sitzen tiefer als mir lieb ist. Das Maleur: Eine Sache. Die angeschlagene Crew: Eine ganz Andere.
Das heute gesetzte Ziel liegt genau im toten Winkel. Liegt genau dort, wo der Wind her kommt und somit ist bei über 4Bf und einer schön aufgebauten Welle eine anstrengende Kreuz angesagt – und wenn es so, wie den Tag zuvor läuft, ein schöner Spass für den Sven. Kurbeln bis der Arzt kommt, Erschöpfung schon vom Normalkurs und sollte noch ein Maleur passieren liege ich da ohne Kraft und meine Crew vielleicht wieder in Gebetsstellung.
Unruhigen Gängen übers Deck folgt das Frühstück. Frau M erfährt ihre Grenzerfahrung mit dem Aufpieksen der Eier ohne Piekser und ich erhasche durch meinen Punkteüberschuss das einzige Frühstücksei der Frau Doktor. Ja, sind wir ehrlich: Ohne mich geht die Frau nicht mehr Segeln, ohne mich macht die nichts mehr auf See – ich glaube ich hab ihr Vertrauen gewonnen.
Das so erhaschte Ei ist natürlich besonders lecker und rettet mich gedanklich über ein paar Minuten bis auf einmal das Telefon klingelt. Der Vereinsvorsitz ruft an, Skipperbesprechung für den aktuellen Tag. „Da habt ihr mir ja die Premiummitlieder des Vereins mitgegeben.“, eröffne ich das Gespräch. „Mit denen heute gegen an, schönen Dank.“ Eine Skipperbesprechung mit vielem Gelächter,  ein wenig Crewempörung auf der Beberich und verschiedenen Kursoptionen folgt. Irgendwie scheint unter den aktuellen Windbedingungen und der Randbedingung, das morgen Mittag möglichst Schluss sein soll, alles eher fürchterlich mies als suboptimal. Es wird die Schlei angepeilt und ggf. ist das mit zwei sehr grossen Schlägen zu erreichen. Ok, das Ziel wäre schon mal geklärt. Ob ich da wirklich heute hin will steht noch in einem ganz anderen Kapitel. Und bis dahin müssen noch einige gedankliche Seiten durchgearbeitet werden.
Diverse Gastlieger laufen aus und folgen dem Kurs gen Südspitze Langeland. Schön halben Wind ablaufen, nach Fehmarn nehme ich an. Auch der gestern spät eingelaufene Zweimaster läuft aus und springt mit seinen ca. 15m Länge in den Wellen vor Bagenkop hoch und runter. Erst denke ich er läuft genauso nach Fehmarn ab, bis das Schiff wie ein Springbock auf der Stelle in den Wellen Tanzt. Ich beobachte die Situation eine Weile und tätige sogar den besorgten Skippergang zur Mole um aufs Wasser zu schauen. „Na, der wird doch kein Segel in die Welle bekommen haben?!“, scherze ich und gebe die Anweisung alles Abzustreiten, falls erwähntes Problem bestehen sollte und der Zweimaster zurück nach Bagenkop läuft. Ne, der Springbock springt weiter auf den Wellen und so langsam denke ich an einen wirklich verrückten Fischbegeisterten. Nur Angler sind so bekloppt und legen sich in die Dünung und frönen genüsslich ihrem Hobby während Mutti aus allen Rohren das Abendessen von gestern in die Eimer verteilt – wahrscheinlich frischen Fisch.
Ungeachtet dem fischenden Springbock klaren Herr E und ich schon mal das Deck auf, während die Frauen das tun, was ich lieber gemacht hätte: nämlich den Abwasch, der ist sicherlich weniger Anstrengend als das was jetzt vor uns liegt. Nachdem die Restschoten entfernt waren und die Genackerschoten als Vorsegelschoten bereit lagen ging es nämlich ans setzen des Ersatzsegels. Bei 4+ Bf Seitenwind schön das Segel in der Vorstagnut hochziehen. Ein besonderes Vergnügen für den Bizeps des Herrn E. „Ich sorge hier vorn dafür das es sich schön einfädelt und du musst das Segel nur nach oben winschen.“, erkläre ich mit einem leicht erleichtertem Gedanken, das dort im Cockpit jemand ist, der mir diese schwere Arbeit mal abnehmen kann. Nach nach ein paar Sekunden und vielem Geächze muss ich einsehen, dass das nix wird. Rollentausch ist angesagt und meine alten Knochen sind wieder da wo sie nicht hin wollten: Hinter der Winsch und die Arme wuchten die Kurbel wiederwillig um ihre Achse. Es kostet wie vermutet scheiss viel Kraft und ich denke bestimmt zwei oder drei mal ans Aufgeben, doch am Ende einer Tortour ist das Segel oben. Es flattert im Wind und kann mit einem letzten Kraftakt auf dem Vorstag aufgerollt werden, bevor ich völlig entkräftet im Cockpit zusammensacke. Nach unserem vorherigen Check der Rollanlage lief sie zwar wieder gut und auch, wenn wir uns wirklich nicht erklären konnten wie die vorgefundene Vertörnung von statten gegangen sein soll, so lief nach einem ab- und einem erneuten aufrollen der Reffleine alles wieder zu unserer Zufriedenheit. Doch konnte mich die wieder funktionierende Rollanlage nicht vor der Erschöpfung befreien, das Wischen war einfach genug.
Kurz darauf wird wenigstens mal eine Entscheidung für mich getroffen – Die Crew klart das Schiff unter Deck auf und wirft sich in Segelklamotte. So bemühe auch ich mich in Segelschuhe und eine leichte Jacke: Fahren wir halt raus, gucken mal was an Höhe geht und sehen das ganze entspannt. Wenn der Rest der Crew wieder flach liegt kann ich ja immer noch machen was ich will – und das ist sicherlich nicht Berserkerkreuzen.
Ich erkläre ausführlich wie wir im Vorhafen Segel setzen werden damit der Motor schon vor der ersten Welle aus ist. Erst dann erkläre ich das Ablegen, welches wir wie in Schilksee mit einer Lufhilfsleine durchführen werden, damit wir bei dem Seitenwind ganz entspannt ablegen können. Unser Manöver ist schnell erklärt und bevor es richtig los geht hat Herr E die achtern Leeleine vom Poller gequält, Frau Doktor die Vorleinen bis auf unsere Hilfsleine gelöst und schon stecken wir fest. Völlig verwirrt versuchen wir die Beberich durch die achterlichen Poller zu drücken, doch weder mit Motorkraft noch mit allen Muskeln bewegt sich etwas. Die Beberich steckt ca. 15cm vor ihrer dicksten Hüftstelle in zwischen den Achterdalben fest. Da ist nix zu rütteln und auch wenn ich beim besten Willen keine grosse Wasserstandveränderung zu heute wahrnehmen kann muss sich der Wasserstand verändert haben. Gestern sind wir zwar eng, aber wir sind durch die Poller gekommen. „Müsst’er vorwärts raus“, vernehme ich ein Rufen und denke bei mir, das uns ja wirklich noch nicht genug Maleur passiert ist. „Vorwärts raus, durch die ganze Reihe der Boxen.“, ruft der Mann. Wäre nur eine Box in dieser Boxenreihe besetzt würde diese Idee nicht funktionieren, doch heute ist alles leer, kein einziges Schiff bis auf die Beberich, die hier zwischen zwei Poller steckt.
Die verdammt kurze Boxenlänge, die verklemmte Achterleine und der Seitenwind machen es nicht einfach die Beberich gegen den Wind zu drehen. Wenden auf engstem Raum ist angesagt und ich lasse den Moto Vor- und Zurück aufheulen. Natürlich touchieren wir ohne das Eindampfen in eine Achterleine mit dem Anker leicht den Steg und es knallt als ob ein Kleinwagen gegen die Autobahnleitplanke kracht. Auch wird es beim bestimmen des Loswerf-Momentes unserer Hilfsleine, die jetzt nur noch im Weg ist,  etwas hektisch aber im Grossen und Ganzen flutscht der Rumpf der Beberich ca. 2cm am Holzsteg und der fies schrammen-machenden Rettungsleiter vorbei. Bedanken müssen wir uns hier auch bei dem älteren Herrn, der geistesanwesend zügig am Steg zum Helfen bereit war und dem wir somit auch ein Teil der 2cm Luft zum Steg zu verdanken haben. Kein desaströses Ablegemannöver, doch nächstes mal echt nur mit vernünftigem Eindampfen – auch wenn es ein paar Minuten des Lebens an Zeit kostet, ist einfach viel entspannter und klödert auch an der Bugspitze nicht so.
Genussvoll war dann die kurze Fahrt quer durch die Boxen vorbei an den frühstückenden Feriengästen in den Ferienhäusern direkt am Hafen. So haben sie sicherlich noch kein Boot fahren sehen und so bin auch ich noch nie gefahren. Irgendwie ja völlig egal wo man übers Wasser düst, doch trotzdem irgendwie komisch, als ob man auf der falschen Straßenseite der Straße fährt. Auf der Steuerbordseite die Holzkaje und Backbord ein Poller nach dem anderen. Irgendwie sollte man erst die Poller sehen und dahinter den Kai. Bei uns heute und hier auf Back- und Steuerbord verteilt: Komisch.
Das Segel setzten klappt dann perfekt und bevor wir auch nur annähernd das Ende des Vorhafens erreichen flügt die Beberich schon unter Segel durchs Wasser. Ich lasse das Vorsegel für einen Anwind Kurs dichtholen und wieder mal geht es mir nicht schnell genug. Was machen die eigentlich immer mit dem Gefrühstückten? Spucken die das heimlich wieder aus oder warum wird nix in Muckies umgesetzt? Ich habe nicht nur Muckies und Hirn zu versorgen, mein Frühstück muss auch noch für den Bauch ausreichen, also warum knattert das dann bei den Anderen nicht? Na, sie werden es heute noch lernen, denke ich bei mir und lege Kurs Marstal an. Weiter gen Westen ist leider nicht möglich auf diesem Bug und so steht fest, das auch auf dem anderen Bug gen Schlei, Eckernförde oder ähnlich kein Blumentopf zu gewinnen ist. Egal, wir holen uns für den ersten Schlag erst einmal Höhe, segeln somit weiter gen Norden und lassen den Segeltag entspannt beginnen.
Der In-den-Taschen-Finde-Gott meint es gut mit mir und so finde ich eine angebrochene Tüte mit luftgetrockneten kleinen Würstchen in meiner Jacke. Zwei oder Drei gab es den Tag vorher kurz vorm Maleur und so erwarten mich noch einige mehr von diesen kleinen Leckereien für Zwischendurch. Ich denke noch mal über die Muckies der Mitsegler nach und biete ihnen schnurstracks etwas von meinen Würstchen an. Vielleichte hilft es ja, male ich mir in meinem Kopf aus und halte die Tüte in die Runde. „Die kannst Du nicht mehr essen, die Kühlkette ist unterbrochen!“, schallt es mir entgegen und die Würstchentüte wird meiner Hand entrissen. Entgeistert blicke ich zu Frau Doktor und fühle mich, als ob gerade das zweite Segel gerissen ist. Doch die Beberich flügt entgegen meinem Schreck die hohen Wellen entspannt hoch und wieder runter, sie fühlt sich wohl auf ihrem Schokoladenbug.
„Watt?“, rufe ich entgeistert und versuche die Tüte wieder unter meine Kontrolle zu bekommen. Doch die Tüte fliegt von Frauenhand weiter von mir weg. „Du kannst da keine von Essen, die sind doch von gestern. Die Kühlkette ist unterbrochen und wir brauchen dich noch.“, kommt es mir mit ernster Stimme entgegen. „Watt?“, poltert es aus dem Mund von Herrn E und auch Frau M schaut mehr verwirrt als verständnisvoll. Luftgetrocknete Würstchen und Kühlkette? Kleine fiese Salmonellen und Bakterien auf meinen leckeren Würstchen? Eine gefährliche Situation als die gestrige Grenzerfahrung bahnt sich an und wird nach einer mit vielen Lachern versehenen Diskussion Gott sei Dank durch die Beharrlichkeit von Frau Doktor abgewendet. Der Kompromiss sieht vor, dass ich am Abend im Hafen welche Essen dürfe – da ist es wohl nicht so schlimm, wenn ich Umfalle – und die Tüte verschwindet unter Deck. Rein zur Sicherheit. Der Skipper könnte ja auf dumme Ideen kommen.
Zeit für eine Veränderung an Bord und ich erkläre das Wendemannöver. „Klar zur Wende?“, „Ist klar“, „Reh“ und das Steuerrad dreht sich rum. „Über die Segel“ und endlich kurbeln Sie, ja sie kurbeln was das Zeug hält und sie kurbeln nicht Schlecht. Herr E gibt alles und am Ende steht das Vorsegel fast zum perfekten Zeitpunkt da wo es stehen soll, wäre da nicht der unfähige Skipper – der vielleicht, damit der Mann an der Winschkurbel es etwas einfacher hat – nicht ganz so schnell auf Kurs ist, wie das Segel. So landet die Beberich wirklich flott – und für die erste Wende – perfekt auf dem anderen Bug und versucht wie ein kleines störrisches Pferd nicht ganz so viel Höhe zu laufen, wie auf dem Steuerbordbug. Durch die in den letzten Stunden gewonnene Leichtigkeit stört es mich nicht und so geht es ganz entspannt gen Kiel. Äh, wie bitte – in Richtung Kiel? Wir wollen doch zur Schlei, oder Eckernförde? Westwind mit südlichem Touch machen unseren Kurs möglich und so versuchen wir alles an Höhe raus zu bekommen, was zu bekommen ist. Irgendwo zwischen Kieler Förde und Eckernförder Bucht liegt unser Kurs, der mir plötzlich noch mehr egal wird. Frau M übernimmt freiwillig das Steuer und ich komme meinem Traum über die Ostsee gesegelt zu werden auf einmal einen Riesen Schritt näher.
Überfordert von der plötzlichen Freiheit weiss ich zu erst gar nicht was ich tun kann. Mein Versuch die Zeit und die freien Hände zu nutzen um das Großsegel zu hissen werden schmählich von Frau Doktor zerstört. „Das Vorsegel reicht.“. Klare Ansage vom in diesem Moment gefühlt neuen Skipper. Besser ich gehorche und verkrümle mich. Ich probiere verschiedene Plätze an Deck aber irgendwie liegt mir dieses degradiert sein nicht wirklich. Ich brauche Minuten bis ich mich dran gewöhnt habe und das langsame vorankommen bei den Winddrops akzeptiert habe. Gleichzeit jedoch entdecke ich auch das FrauDoktorPhänomen: Immer wenn meine Muskeln zucken und ich kurz davor bin mich gegen den neuen Skipper aufzulehnen und doch das Gross auszupacken fliegen uns die Böen um die Ohren und ich freue mich irgendwie, das unser Gross eingepackt auf dem Baum liegt. Ich versuche also ruhig zu bleiben, die Sonne zu geniessen und meinen Traum zu leben. Was soll schon passieren, ausser nicht da anzukommen wo wir wollen und das vielleicht nicht zu dem Zeitpunkt wann wir wollen.
Die modernen Kommunikationsmittel sorgen noch vor der zweiten Wende für eine Information der anderen beiden Boote: „Mr. M hat beschlossen nach Laboe zu segeln. Wir können da auch hin.“ – Ha! Darauf habe ich gewartet: „Ok, wir fallen auch ab und kommen nach Laboe.“, sende ich und hetze Frau M an weiter die Höhe zu halten. „Schön westlich am Leuchtturm vorbei“, erkläre ich und feixe mir bei der Vorstellung wie die Kollegen das „Abfallen“ lesen einen ab. Entweder rallen die das oder die werden begeistert denken, was die Beberich für eine Höhe laufen kann. Und irgendwie haben sie ja auch recht, wenn sie das denken. Sind die anderen Boot ca. Kurs Todendorf gefahren, so haben wir Kurs Kiel Leuchtturm und noch etwas westlicher auf unserm Kompass stehen. Und direkt Laboe wäre tatsächlich ein paar Grad abfallen, aber wir wollen uns den Leuchtturm westlich geben. Ein bisschen Sportsgeist muss sein und so wird es irgendwann noch einmal richtig spannend als Frau Doktor das Steuer übernimmt. Waren meine Gedanken und der Kurs von Frau M etwas nachsichtig, was die Höhe betraf so holte Frau Doktor wieder alles raus. Nach den ersten Kommandos bezüglich Würstchen & Segel setzen mauserte die junge Frau sich plötzlich zum Segelprofi. Dachte ich schon an einen entspannten Holeschlag um den Leuchtturm westlich zu passieren, brodelte in Ihr der Ehrgeiz. Frau Doktor nutze eine Böe nach der anderen, Schnippelte sich ihren Höhenplan zusammen und motivierte mich mit ihrer ehrgeizigen Herangehensweise sogar Trimmpositionen einzunehmen und mein Gewicht auf Luf zu bringen. Da war er, mein Traum für dieses Wochenende: Auf der Backe sitzen, mal am Segel zuppeln, klugscheissen, Segeln lassen und dann bei westlichen Winden auf diesem Kurs westlich am Leuchtturm vorbei. Das ganze ohne Holeschlag und auf 200m Entfernung zur Leuchtturmmole. Perfekt Frau Doktor. Und damit nicht genug, Frau Doktor lies nicht nach: Auch nach dem Leuchtturm hielt sie extreme Höhe und hielt uns so lange wie möglich aus dem Fahrwasser raus und liess dicke Pötte passieren. Dies natürlich nicht ohne ein bisschen in Panik zu verfallen als einer dieser netten Fähren auf ein paar hundert Meter ran kam. Frau Doktor war also noch sie selbst, steuerte perfekt und doch war da diese leichte Unsicherheit, die gar nicht notwendig war.
Schon in der Aussenförde wird der Wind südlich abgelenkt und so bleibt der Kurs ziemlich Am-Wind als wir das Fahrwasser überqueren und ich kleine Horrorstories bezüglich der Flachwasserzone neben der Glockentonne erzähle auf die wir zu steuern. Die Beberich trifft unter den weiblichen Händen das perfekte Ziel zwischen Glockentonne und Fahrwassertonne auf der Ostseite des Fahrwassers vor Laboe, Horrorstories bezüglich Auflaufen im Flachwasser werden uns erspart und ich darf zum Anleger übernehmen. Der Traum ist aus, der Motor wird gestartet und das Segel eingeholt. Ein fast perfekter Segeltag liegt hinter uns. Viel Sonne, Welle & Wind. Nur wenig Seekrankheit, viel Spass und ein Segel zu wenig. Dazu zwei Steuerfrauen, die es auch am gestrigen Tag schon hätten rocken können wenn sie ihr Selbstvertrauen ein büschn aufgestockt hätten. Welle Raumschots ist halt die Königsklasse, und Prinzessinnen sind sie auf jeden Fall! Also üben und weiter am Rad drehen, denke ich als ich die Mädels an Deck schicke um Fender & Festmacher klar zu machen. Langsam tuckern wir in die Baltic Bay, und lassen einen Dreimaster, der an der Hafeneingangsmole des Stadthafens liegt, links liegen. Da eines der anderen Boote seinen Stammliegeplatz in der Baltic Bay hat machen wir uns auf in seiner Nähe einen Platz zu finden. Der Hafen begrüsst uns natürlich wesentlich voller als Bagenkop und etwas grössere Kontobewegungen werden bei dem betrachten der Stammlieger klar. Durch die Geschütze Lage wird der gefühlte Wind immer weniger und unsere Sightseeingtour durch die Hafengassen kann langsam von statten gehen. Ganz hinten, letzte Gasse ist die Information und so fahren wir irgendwann einen trödeligen Anleger  auf Platz 15 dieser unsäglichen Schwimmstege. Ich mag sie ja nicht, diese Stege. Man muss weit runter von Deck um auf den Steg zu kommen, man hat meist kürzere Ausleger als die Beberich lang ist, kann somit nur Vorbereitet in eine Achterleine eindampfen und auch sonst ist das einfach ne wackelige Angelegenheit. An diesem Tag besteht aber kein Grund sich sorgen zu machen, so trödelig wie wir unterwegs sind kann Frau M auf dem Wackelsteg sogar beide Festmacher in der Hand halten ohne die Beberich fest zu machen. Da steht sie auf dem Steg, zwei Festmacher in der Hand und lächelt. Ohne Wind geht es also doch: Lächelnd Festmacher halten ohne sie am Steg zu befestigen. Ich flippe kurz aus, weise sie zurecht und Zweifel gleichzeitig an meinen Führungsqualitäten. Hatte ich Ihr das Ganze doch gestern schon mit einem Festmacher ordentlich erklärt, warum setzt sich das nicht fest? Einen ganz kleinen Moment denke ich noch drüber nach ob das am ewigen Jollensegeln liegt, wo das Festhalten der Festmacher ja möglich erscheint. Ich verwerfe den Gedanken aber schnell um meinen Traum wieder aufflackern zu sehen: Ohne weitere Anweisung von mir wird das Gross mit seiner Persenning versorgt, werden überflüssige Festmacher entfernt und die Beberich aufgeklart. Jepp, so muss es ein! Ich bin begeistert und erkläre dies auch mehrfach der Crew. Mir wird dabei klar, dass die Crew schon ne Gute ist. War der gestrige Tag wirklich eine besondere Situation zwischen Seekrankheit und neu Erlebten so konnten die Drei heute wirklich zeigen das sie nicht das erste mal an Bord eines Schiffes waren. Ein wirklich schönes Anlegen nach einem super schönen Segeltag.

# Der Abend #

Wieder mal trieb der Hunger. Viel nahrhaftes gab es am heutigen Tag nicht und auch die Würstchen der unterbrochenen Kühlkette waren schon lange vergessen – nicht aber die unterbrochene Kühlkette allgemein, die sich zum Running Gag des Tages entwickelte. Wir machten uns auf die Suche nach dem Liegeplatz des Kollegen, der sich als leer herausstellte, und dann weiter den anderen Seglern entgegen. Die Informationen sagten, wir sollten sie im Gästehafen bei der Fischküche suchen, was uns sehr zu pass kam, denn Fischküche wäre genau das Richtige, da waren wir uns einig.
Dieses mal also per Pedes an den teilweise doch ganz schönen, dicken Pötten vorbei. Über die kleine Fußgängerbrücke in den Stadthafen, wo die Schiffsaussicht zügig andere Züge annahm. Vorbei an den gestapelten Optimisten, dem Europa Willkomensschild und der mir noch nicht bekannten Baustelle am Hafenrand.
Die Sonne hatte sich schon verzogen und es wurde zügig dunkel. Angekommen bei der Fischküche konnten wir niemanden entdecken und die verwirrenden Erklärungsversuche per Telefon begannen. Es dauerte ein paar Erklärungsversuche und die damit verbundenden Suchgänge zu Fuss bis eine Taschenlampe uns dann den rechten Weg wies. Man hätte auch einfach sagen können, man befinde sich bei der Tankstelle des Gemeindehafens – hätte mich persönlich schneller auf den Weg gebracht als das immer wiederholte Fischküche – aber so ist es nun mal, in Zeiten von Navigationsinstrumenten wird es immer schwieriger eine exakte Positionsbveschreibung aus den Menschen herauszukitzeln. Obwohl, sind wir ehrlich: Das hat noch nie funktioniert.
Gesucht & Gefunden begann das Begrüssungspalaver, endlich waren nach unserer gestrigen Abwesenheit in Marstal alle Schiffscrews zusammen und so war das Hallo groß und durch unser Maleur von Anfang an mit vielen Frötzlein geschmückt. Innerhalb von Sekunden starteten viele Gespräche rund um den Tag, Segeln & Seekrankheit. Auch wenn sich die Gruppe scheinbar Richtung Fischküche bewegte fehlte mir die Sicherheit, dass wir in den nächsten Minuten etwas zu Essen bekommen und ich startete ziemlich hilflose Koordinationsversuche eine Gruppeneinigkeit bezüglich der Essenslokation zu erreichen. Die diversen Gespräche, die kleineren Gruppen, ein Gruppenbildwunsch und der Essensdrang vermischten sich im leichten Chaos und irgendwie landeten wir tatsächlich in der Fischküche. Natürlich war es nicht einfach hier einen Tisch für 12 Personen zu bekommen, doch das Glück war mit uns und wir erhaschten einen upradefähigen Tisch für 6 Personen, der auch zügig auf Platz für ca. 8 Personen aufgestockt wurde. Natürlich war ich einer der ersten, die an dem Tisch platz nahmen und auch meine Crew gesellte sich schnell dazu. Innerhalb von wenigen Sekunden waren alle Plätze belegt und es mischten sich Entspannte Sitzplatz-gefunden-haben Gefühle mit nervösem Und-bekommen-wir-auch-noch-einen-Platz Gedanken. Tja, drei Skipper sind nicht unbedingt besser als Einer, denke ich bei mir und versuche wenigstens die Leute um mich rum zur Essensbestellung zu dirigieren was auch angenehm gut klappt. Geschickt platziert, bin nicht ich es, der die Bestellung zum Tresen transportieren muss und wieder zeigt sich meine Premiumcrew von der besten Seite. Getränke sind schnell besorgt und das Essen bestellt. Doch bevor das Essen auf dem Tisch landet stellen wir fest, dass nicht alle am Tisch gelandet sind und sich einige aus der Fischküche geflohen sind. Ob nun auf Grund des immer noch fehlenden Sitzplatzes oder der Fischmahlzeiten hat es sie wohl zum Spanier an der Promenade verschlagen. Die zweite gern genommene Lokation hier in Laboe, wenn man denn mehr Tappas als eine vernünftig zusammenhängende Mahlzeit wünscht. Meine Gedanken werden durch das Piepen unseres Essen-ist-fertig-Devices unterbrochen und kurz darauf beginnt das Schmackofatz. Der Großteil meiner Crew vergnügt sich natürlich mit Backfisch und nur eine nicht näher genannte Person begnügt sich mit Salat aus einer einwandfrei durchgeführten Kühlkette. Endlich breitet sich schmatzende Ruhe am Tisch aus und auch die anderen verbliebenden Crews bekommen Minuten später ihr bestelltes Essen. Die Gesichter verziehen sich zeitgleich mit den schmatzenden Mündern zufrieden nach oben und man merkt es jetzt wie dringend diese Nahrungsaufnahme war. Die Teller werden leerer und die Gespräche weniger. Man einigt sich nach getaner Nahrungsaufnahme schnell darauf noch beim Spanier vorbei zu schauen um die Truppe wieder zu komplettieren und den Abend rund zu gestalten.
Der kleine Weg zum Spanier verläuft ohne weitere Crewmitglieder zu verlieren und so sitzen wir dann endlich in kompletter Runde im Geschützen Wintergartenbereich des Spaniers direkt an der Aussenförde. Der kühle Abend sorgt dafür, das eher warme Getränke als Bier ausgeschenkt werden, doch dies tut dem folgenden Seemannsgarn keinen Abbruch. Unser Maler wird in allen Fassetten wiedergegeben und schon innerhalb eines Tages werden die Wellen zu 4m hohen Berbern heraufbeschworen und aus den teilweise eiebener Böen wird schnell Sturm. Zu meiner besonderen Freude wird das Abtrennen der Schoten mit einem schlechten Film mit guter Rollenbesetzung a la Brett Pritt verglichen und so haben wir bannig viel Spass in unserer Ecke. Alles klingt nach monatelangem verweilen im Sturmgebiet auf See, vielen Grenzerfahrungen und bei Zeiten tatsächlich mal nicht nach unterbrochener Kühlkette.
Irgendwann fühle ich mich genötigt ein, „Und, was habt ihr so erlebt?“, in die Gruppe zu werfen. Ganz glücklich klingt die Reaktion nicht und außer der Segelflächenbegeisterung einer Mitseglerin wird uns nicht viel entgegen gebracht und so bleiben die Gespräche bei Beberichstories und weit entferntem Seglerlatein.
Je mehr sich der Abend in die Nacht streckt fliegen die Gespräche an mir vorbei und meine Premiumcrew kommt mir in Gedanken immer näher. Es mag ein Gesetz des Menschlichen sein, dass man sich im näheren Kreis immer mehr wohl fühlt egal wie die Situation objektiv aussieht. Nicht ohne Grund gibt es das Stockholm Syndrom und so fühle ich mich meiner Crew auch ohne mit ihnen in Stockholm gewesen zu sein, sehr wohl.
Da die Truppe am ersten Abend als Abschluss des Tages auf der Beberich verweilte geht es heute Abend zur Paula, dem Charterschiff aus Schilksee. Direkt an der Tankstelle im Gemeindehafen liegt die Dofour 35 am Pier. Es geht steil ab, da der Steg hier bannig höher als das Deck der Paula liegt. Innen wird es natürlich etwas gedrängt, aber ich mag diese Absacket an Bord auch wenn man mir das in dem Moment sicherlich nicht ansieht, da ich den selbigen nicht Trinken mag. Irgend ein braunes Alkoholgebräu muss ich nicht probieren – schon lange nicht mehr in meinem Leben. Da wird mir nur Schlacht von, als das ich da Spass beim Trinken hätte. Auch der Rum von Lohrenzen aus Bremerhaven reizt mich nicht, denn auch er ist eben braun und sowieso: Halber Rausch ist vertane Zeit & rausgeschmissenes Geld und so bleibe ich nicht nur leise, sondern in dieser Runde auch trocken.
Ein paar Themen werden noch mal aufgerollt, wenig Neues dazu gepackt und so wird nicht allzu spät in der Nacht die Ruhe einberufen obwohl man sich nach diversem Ausprobieren gerade erst auf eine Beleuchtungsart im Schiff einigen konnte, die allen Ramontikansprüchen genüge tat.
Ein letztes mal an diesem Tag darf ich noch mal den wohlerzogenen Skipper spielen und reiche Frau Doktor die Hand. Schon fast selbstverständlich nimmt sie diese Geste an und ich helfe ihr sicher auf den Steg. Aus dem etwas holprigen Miteinander zu Beginn ist ein gut geschmiertes Geben und Nehmen geworden, womit wieder mal bewiesen wäre das auch dicke Männer mit Spitzbart und Frauen mit Doppelnamen Freunde sein können – egal ob die Kühlkette eingehalten wurde oder nicht.
Unser Heimweg führt uns an einer grossen Party auf dem nahegelegenen Werftgelände vorbei. Zwischen den jungen Leuten komme ich mir ein bisschen Alt vor und verdränge aufkommende Gedanken schnell. Wie bei solchen Segeltouren häufig üblich beendet ein gemeinsamer Klogang den Landgang und wir finden uns zügig wieder auf der Beberich ein.
Da die Jungs des Heimliegers in der der Baltic Bay an Bord der Petra ankündigten noch auf ihren Stammplatz zu verholen war bei uns nicht sofort Kojenruhe angesagt. Zumindest ich wanderte immer wieder unruhig vom warmen Salon den Niedergang hoch um zu schauen, wo die Beiden Jungs bleiben. Es braucht ja nicht lange um vom Stadthafen zur Baltic Bay zu verholen und doch ging es einige Male den Niedergang auf und Ab. Herr E nutzte die Zeit mir ein paar Sternbilder zu erklären, doch ich zeigte mich da relativ stur was grossen und kleinen Wagen betrifft. Wie auch immer er den kleinen Wagen nannte, mir bleibt es bis heute egal – der kleine Wagen ist der kleine Wagen und der grosse bleibt der Grosse. Da nützt es nix den Grossen jetzt als Kleinen zu bezeichen und den Kleinen – also den jetzt Grossen – als irgend was anderes. Mitten in unsere Diskussion vernehmen wir dann ein Segelschiff, welches bei dem komplett eingeschlafenen Wind versucht in der Nacht in die Boxenreihe zu kreuzen. Das müssen sie sein, denke ich bei mir und gehe davon aus, dass di beiden Jungs mal zeigen wollen was in ihnen steckt: Segler sind sie, und sie segeln zum Liegeplatz, auch wenn kein Wind ist und sie sich mit abstossenden Händen von Gassenseite zu Gassenseite schlängeln. Die uns vor dem Essen weisende Taschenlampe flackert auf und ich reagiere kurzerhand mit unserm Suchscheinwerfer und tauche das komplette Boot der Beiden in einen schönen Lichtkegel. Das Weiss des Vorsegels reflektiert so schön, dass die Boxengasse komplett ausgeleuchtet scheint. Ich bin, wie immer bei dieser Lampe, einfach nur begeistert wie schön hell sie leuchtet und vernehme nur beiläufig wie mir Herr E die Typenbezeichnung des verwendeten Leuchtmittels erklärt.
Es dauert einiges an Zeit bis sie die Höhe der beberich mit ihrem Kreuzen erreicht haben und auch die anderen aus dem Salon an Deck verholen. Ein kurzer Infoaustausch, dass es gar nicht freiwillig ist was da passiert. Der Motor sprang nicht an und so war diese Art zu reisen, die einzig mögliche um die Liegekosten im Gemeindehafen. Mit den Gedanken, dass ich das mit der Beberich sicherlich nicht gemacht hätte, verschwinde ich in der Koje – ich wäre wahrscheinlich auch gleich zu meinem Stammliegeplatz gefahren anstatt erst im Gemeindehafen anzulegen, aber da gibt es halt verholfreudigere Skipper als mich.

# Abschied #

Der nächste Tag beginnt wie immer mit einem gemütlichen Frühstück bei dem aber leider keine gekochten Eier mehr für mich bereit standen. Hatten sich die beiden Mädels doch den Abend vorher extra noch informiert, wo man denn an Eier rankommen kann, so besiegte die Faulheit am Morgen dann doch den Drang dem Skipper etwas Gutes zu tun. Auch so war das Frühstück von bester Natur und lief weit aus koordinierter ab als das darauf folgende Ablegemannöver.
Eine Verwirrung um die Achterleine bei Herrn E führte zu einem verfrühten Abtreiben der Beberich und einem etwas hektischen Motorstart inklusive Ableger. Wollte ich doch die Frau Doktor ablegen lassen um noch ein Stück Vertrauen in sich selbst an die richtige Ecke zu legen, so blieb das rückwärts Ausparken an mir hängen.
Wir hatten durch den kurzen Ausleger des Schwimmsteges die Achterleine zur Klampe auf dem Ausleger geführt und nach dem Belegen weiter als Spring zur Genuawinsch. Gemeint war, dass die Strecke Genuawinsch-Klampe schon gelöst werden kann, nicht jedoch die Achterleine von Klampe zur Beberich. An der Kommunikation muss Skipper & die Crew also noch arbeiten aber ansonsten läuft es. Die Fender & Leinen wurde ohne weiteres Zutun schnell aufgeklart und schon kurz nach der Hafenausfahrt stand die Genua um den kurzen Schlag rüber nach Schilksee zu starten. Der Motor war ebenso zügig aus und so flutschten wir mit sanfter Geschwindigkeit gen Westen.
Es dauerte nicht lang, da war der kurze Tripp auch schon wieder zu Ende und der Motor wurde wieder angeschmissen. Vorbei an der 23 Meter langen Joy bogen wir in die Südeinfahrt des Hafens von Schilksee ein. Ein kurzer Aufstopper mit dem Bug vor dem Steg unter dem Kran und die beiden Mädels verliessen die Beberich um mit dem Auto zur Blücherbrücke zu kommen. Herr E und ich verblieben auf dem Wasser und setzten unter Motor Kurs Kiel. Der relativ südlich kommende Wind hätte uns vor Schilksee noch gemütlich Segeln lassen können, doch spätestens bei Kurs Blücherbrücke hätte es wieder Kreuzen bedeutet und wir wollten die Mädels nicht länger als nötig warten lassen.
Südlich Friedrichsorter Enge kommt uns dann eine voll besetzte Paula entgegen. „Ähh, der hat drei Frauen an Bord, davon zwei Neue!“, werfe ich Herrn E zu und reisse das Steuerrad rum und lege Kurs Paula an. Da wollen wir näher ran, eben noch ein paar Worte schnacken und nen schnellen Kreis um die Fahren. Wir erreichen die Paula schnell und können wie geplant ein paar Worte wechseln. Leider lässt sich das Mysterium um die beiden neuen Frauen an Deck nicht lösen und wir geben Gas um tatsächlich eine kleine Runde um die Paula zu drehen. Kurz vor der Enge schaffen wir es und verabschieden uns mit einem „Hoffentlich bis nächstes Jahr“, auf Steuerbord. Uns Männer beschäftigt noch ein paar Minuten die offene Frage der frischen Crewmitglieder doch auch das ist zügig vergessen. Das Wetter wird immer schöner und wir sind kurz vor der Blücherbrücke. Auf diesem letzen Stück zeigt der Herr E das auch er Steuern kann und bis auf einen kleinen Abstecher zur uns entgegen kommenden Sönke fahren wir fast schnurstracks auf die Blücherbrücke zu. Schön auf dem Heimatkurs auf bekannte Boote zu treffen, wenn man auch keinen grossen Schnack halten kann, ist dadurch eben doch das schöne Heimatrevier.
Auf der Brücke werden wir schon winkend erwartet und auch, wenn wir hier sicherlich keine Hilfe beim Anlegen benötigen ist es schön, wenn die Vorleinen entgegen genommen werden wenn man nach Hause kommt. Wie immer passt die Beberich nur mit Motorkraft durch die Achterpoller. Ein selbstverständliches Ritual hier beim Anlegen. Das Wespennest im Steuerbord-Poller ist dagegen neu. Ich fühle mich nicht ganz so routiniert als ich das Auge über den dicken Poller wuchte. Mehrmals kommen diverse Wespen unwohlig nahe aber alles geht gut. Der Festmacher ist irgendwann fest und ich noch so unversehrt, wie vor dem Anlegemannöver.
Bevor irgendwas an der Beberich aufgeklart wird, lade ich die Crew zu einem Anlegereis ein. Da die Sonne richtig scheint ist im Blüchereck richtig Sommer angesagt und der Eiskönig macht das Geschäft seines Lebens.
Gemütlich Eisschleckend geniessen wir einige Minuten später den Blick auf die Förde und die Beberich. Aus meiner Einladung wurde natürlich eine Eisrunde aufs Haus des Eiskönigs und die Crew verstand schnell, warum ich die Blücherbrücke so liebe: Ein Geben und Nehmen, ein tolles Miteinander genauso, wie mit meiner neuen Crew. Wieder alles richtig gemacht und so bleibt mir nur dazusitzen und zu Lächeln. Das Ergebnis des später folgende Aufklaren der Beberich vernehme ich eigentlich erst als die Crew schon im Auto sitzt und gen Süden fährt. Aufgeklart und frisch gesäubert verlässt die Crew die Beberich und neben viel Spass wurden auch Prio 1 & 2 wieder voll erfüllt.

Alle sind lebend zurück, und das an einem Stück. Danke.

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